Schmerzbehandlung – Mesotherapie in Forschung und Praxis

Aus: Die Naturheilkunde, vom 01.07.09.

Mesotherapie
Schmerzbehandlung
Die Wirksamkeit der Mesotherapie in Forschung und Praxis
In neuester Zeit macht die Mesotherapie vor allem im Bereich der ästhetischen Medizin von sich reden. Zum Glätten von Fältchen, dem Straffen der Haut oder der Behandlung von Cellulite und Haarausfall wird sie von zunehmend mehr Heilpraktikern und Ärzten angewendet und in Beauty-Magazinen angepriesen. Dabei ist die minimalinvasive Methode auch im kurativen Bereich sehr erfolgreich. Etwa bei der Behandlung unterschiedlichster Schmerzen, wie der Artikel im Folgenden beschreibt. Was aber ist die Mesotherapie genau und wie funktioniert sie?

Wenig, selten und am richtigen Ort
Der Begriff Mesotherapie leitet sich vom altgriechischen Wort Meso (= mittel) her und bezieht sich auf das Mesoderm, jenes mittlere Keimblatt, dass sich in der dritten Entwicklungswoche des Menschen bildet und aus dem sich u.a. Haut und Bindegewebe entwickeln. In diese Bereiche und nicht tiefer werden mit kurzen, feinen Nadeln gering dosierte Medikamente an oder über der zu behandelnden Stelle injiziert. Der Vorteil: Medikamente müssen nicht den Weg über den Blutkreislauf nehmen, sondern können in kleinsten Mengen sofort vor Ort wirken.
Die Mesotherapie gilt deshalb als besonders schonend und weitestgehend nebenwirkungsfrei.

Die Wahl des richtigen Ortes hängt von der Indikation ab und muss keineswegs der Ort sein, an dem die Symptome auftreten. Akupunkturpunkte entlang der Meridiane sowie Stellen, die nach dem Prinzip der Reflexzonen bestimmten Organen zugeordnet werden, können genauso das Ziel der mesotherapeutischen Injektionen sein.  

Vier unterschiedliche Spritztechniken stehen dem Mesotherapeuten zur Verfügung. Mit der epidermalen superfiziellen Technik zieht er mit der Nadel Linien über die Haut, durch die die Medikamente als Tröpfchen auf der Haut dann einziehen. Mit der intradermalen Technik werden die Medikamente in die Haut injiziert, beim Quaddeln werden Depots gesetzt. Bei der Salventechnik schließlich, die etwa bei der Behandlung größerer Areale zum Einsatz kommt, bedient sich der Therapeut meist einer sog. Mesotherapie-Pistole oder Mesogun. Auf diese wird die Spritze gesetzt um die Injektionstiefe millimetergenau einzustellen, die zu spritzende Menge auf den Tropfen genau zu bestimmen und die Anzahl an Injektionen pro Minute festzulegen.

Gespritzt wird ausschließlich mit Einwegmaterial: sehr dünne Kanülen von nur 0,3 mm Durchmesser und einer Länge von 4, 6 oder 10 mm. Sie können einen glatten Schliff haben oder einen Fünf-Kant-Schliff für eine besonders schmerzlose und unblutige Injektion. 

Die Medikamente, die zum Einsatz kommen, haben vorzugsweise nur lokale Wirkung und sind abhängig von der jeweiligen Indikation. Sie werden vom Mesotherapeuten erst kurz vor der Anwendung gemischt. Als Trägerlösung dient ein Lokalanästhetikum (Procain oder Lidocain), dem wahlweise Allopathika oder Homöopathika, Phytopharmaka, Oligoelemente sowie Organ-, Enzym- oder Vitaminpräparate beigemischt werden. Mehr als vier Komponenten sollte die Medikamentenmischung nicht enthalten. Bei der Auswahl spielt die Erfahrung des Therapeuten eine wichtige Rolle. Die Mesotherapie ist eine Individualmedizin und keine Rezeptsammlung. Fertige Mischungen kommen deshalb kaum zum Einsatz. Je nach Indikation genügen eine oder wenige Sitzungen um eine lang anhaltende Besserung von Beschwerden zu erzielen.
Zusammenfassend lässt sich das Konzept der Mesotherapie in einem einfachen Leitsatz festhalten: Medikamente werden wenig, selten und am richtigen Ort eingesetzt.

Studie zur Schmerzbehandlung bei Schulterverkalkung
Die Wirksamkeit der Mesotherapie lässt sich auch in wissenschaftlichen Studien nachweisen. Zum Thema Schmerzbehandlung wurde Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift „Arthritis Care & Research“ eine Studie zur Tendinitis calcarea veröffentlicht.1

Als Tendinitis calcarea bzw. Schulterverkalkung wird eine durch Kalkablagerungen verursachte schmerzhafte Entzündung, meist im Bereich der Sehnenansätze des Schultergelenks, bezeichnet. Dabei sammeln sich Kalkkristalle im Übergangsbereich von Sehne zu Gelenkknochen. Bricht dieses Kalkdepot in das umgebende Bindegewebe oder den darunter liegenden Schleimbeutel ein und reizt diese Strukturen, kommt es zu massiven Entzündungen und Schmerzen, ähnlich einem Gichtanfall. Die Schmerzen treten akut auf, bestehen auch im Ruhezustand und führen oft zur totalen Bewegungsunfähigkeit der Schulter. Für die Behandlung werden schmerzlindernde Medikamente verabreicht und Kortison gespritzt. Mit Physiotherapie wird versucht, das Gelenk beweglich zu erhalten. Eine Stoßwellentherapie kann Kalkdepots bis zu einer bestimmten Größe zertrümmern, die in schweren Fällen sonst mit einer Nadel gespült und abgesaugt („Needling“) oder operativ entfernt werden müssen. 

Für die Studie im italienischen L’Aquila wurden 80 Patienten mit diagnostizierter Schulterverkalkung in zwei gleichgroße Gruppen geteilt und die individuellen Beschwerden, Schmerzen und die funktionelle Beweglichkeit der Arme vor Behandlung, nach einwöchiger Behandlung und nach einem Jahr bestimmt. Zusätzlich wurden die Ausmaße der Kalkdepots in den Schultern mit Röntgenaufnahmen festgehalten.

In der Behandlungsgruppe injizierten die Forscher den „Kalziumfänger“ EDTA (Ethylendiamintetraessigsäure) in stark verdünnter Lösung rund um die Kalkdepots. Anschließend wurde die betroffene Schulterregion 15 Minuten lang mit pulsierendem Ultraschall behandelt (Phonophorese) um das eingeschleuste EDTA besser zu verteilen und die Regenerationsprozesse im Gewebe zu stimulieren. 

Bei knapp zwei Dritteln (62,5 %) der 40 behandelten Patienten hatten sich innerhalb von vier Wochen die Kalkdepots vollständig, bei weiteren 22,5 % größtenteils aufgelöst. Eine Kontrolluntersuchung nach einem Jahr bestätigte einen anhaltenden Behandlungserfolg – frei von irgendwelchen Nebenwirkungen. In der mesotherapeutisch nicht behandelten Kontrollgruppe konnte bei nur 15 % der Patienten eine unvollständige Auflösung festgestellt werden.
    
Damit belegt diese Studie recht eindrucksvoll die Vorzüge der Mesotherapie bei Tendinitis calcarea gegenüber den herkömmlichen Therapiemethoden: Auf entzündungshemmendes Kortison und starke Schmerzmittel samt ihren Nebenwirkungen kann verzichtet werden – Kortison wird in der Mesotherapie grundsätzlich nicht eingesetzt. Der rasche Behandlungserfolg macht zudem physiotherapeutische Übungen unnötig, die im fortgeschrittenen Stadium starke Schmerzen verursachen und deshalb häufig abgebrochen werden. Und schließlich werden das schmerzhafte Needling, die Stoßwellentherapie und die chirurgische Entfernung der Kalkdepots überflüssig, soweit der Patient zu den 85 Prozent an Fällen zählt, bei denen sich die Mesotherapie laut Studie als erfolgreich erweist.

Erfahrungsheilkunde – Beispiele aus der Praxis
Jenseits der wissenschaftlichen Studien ist die Mesotherapie aber vor allem Erfahrungsheilkunde, deren Erfolge sich tagtäglich in der Praxis beobachten lassen.
Als Inhaber einer Praxis für konservative Chirurgie und komplexe Schmerztherapie habe ich die Mesotherapie im Rahmen eines Vortags und Kurses vor einigen Jahren kennen gelernt. Mit ihr wurden für mich auf einmal Schmerzbilder therapierbar, die ich bisher nicht zufrieden stellend lösen konnte – und das auf Dauer, ohne Nebenwirkungen und mit einer überschaubaren Anzahl an Sitzungen. Seid vier Jahren wende ich die Mesotherapie jeden Tag bei meinen Patienten an.
Die folgenden drei Beispiele sollen kurz skizzieren, welche unterschiedliche Schmerzarten mesotherapeutisch behandelt werden können.

Schmerzen im Bein nach Rücken-OP
Eine 69-jährige Rentnerin litt  nach der Entfernung eines Nerventumors aus dem Rücken an unerwarteten Schmerzen im rechten Bein. Diese nahmen an Intensität zu und waren bald ständig zu spüren. Die Patientin konnte damit nicht mehr laufen, ihre Leistungsfähigkeit nahm ab. Ein Jahr nach der OP erlitt sie zudem einen Schlaganfall, der die Schmerzen verschlimmerte.
In meiner Praxis gab die Patientin ihr subjektives Schmerzempfinden auf der VAS-Skala mit 8,5 von 10 an. Ich behandelte mesotherapeutisch etwa 10 Minuten lang ihren Rücken und das rechte Bein.
Ihr Schmerzempfinden sank daraufhin auf der VAS-Skala von 8,5 auf 3,0. In den folgenden Tagen stiegen die Schmerzen allerdings wieder leicht an. Deshalb behandelte ich die Patienten noch zweimal im Abstand von je einer Woche sowie ein weiteres Mal 6 Monate später. Nun stellten sich leichte Schmerzen (3,0 VAS-Skala) nur noch nach Belastung, längerem Gehen und Gartenarbeit ein. Es folgte eine fünfte und letzte mesotherapeutische Behandlung vor einem Jahr. Seitdem ist die Patientin schmerzfrei.    

Migräne
Immer wieder erstaunlich sind die Behandlungserfolge bei Migräne. Vor allem dann, wenn die betroffenen Patienten zuvor sämtliche bekannten stationären wie ambulanten Behandlungsmöglichkeiten vergeblich ausprobiert hatten. So wie die 36-jährige Mutter einer einjährigen Tochter. Sie litt an Migräne seit der ersten Regel im Alter von 12 Jahren. Die Schmerzen zeigten sich in Nacken und Stirn, traten teils täglich, teils in zweiwöchigem Abstand auf, ohne Aura, aber begleitet von Übelkeit, Sehstörungen und Lichtempfindlichkeit. Ihr subjektives Schmerzempfinden lag bei 8 bis 10 auf der VAS-Skala.
Für die Behandlung mischte ich Procain, Buflomedil und Calcitonin. Die Medikamente wurden in kleinsten Mengen über den beiden IS-Gelenken, paravertebral von der HWS bis zur mittleren BWS, beidseitig entlang der Unterarmmuskulatur bis zum Ellbogen, an den Handgelenken, dem zentralen Kopfpunkt und entlang der Nackenlinie injiziert.
Zwei Wochen später wiederholte ich die Behandlung. Nach sechs Wochen fand ein Kontrolltermin statt. Die Patientin hat seitdem keine Anfälle mehr. Leichte Kopfschmerzen traten später aufgrund des Schlafentzugs durch ihr Kleinkind auf. Hier half ein wenig Asperin. Die Patientin sagt, sie hätte dank der Mesotherapie zu einem völlig neuem Lebensgefühl gefunden.

Mesotherapie bei starker Schmerzmedikation
Ein sehr anschauliches Beispiel dafür, wie Schulmedizin und Mesotherapie zum Wohle eines Patienten zusammenwirken, ist der Fall eines 48-jährigen Mannes, dem bei einem Verkehrsunfall vor sechs Jahren der Unterschenkel zertrümmert wurde. In der Unfallchirurgie mussten ihm daraufhin Schienen- und Wadenbein, teilamputiert werden, so dass der Unterschenkel 12 cm kürzer wurde. Es folgten 22 Operationen, anschließend musste der Patient 13 Monate lang einen Ilizarow-Ringfixateur tragen um den Unterschenkel durch Bildung von Kallus wieder auf seine ursprüngliche Länge zu bringen. Danach wurde ein Nagel eingeführt. Weitere Operationen dienten unter anderem dazu Sprunggelenk und Zehen zu versteifen. Die Schmerzen wurden anfangs mit einer Schmerzpumpe und dem Schmerzmittel Dipidolor gemildert, dann folgten innerhalb von zwei Jahren fünf Grenzstrangblockaden und zwei CT-gestützte Blockaden.   
Nachdem der Patient chirurgisch austherapiert war, wurde er auf täglich 3 x 100 mg M-Long, ein morphinhaltiges Schmerzmittel, und 3 x 800 mg Gabapentin als zusätzliches Schmerzmittel, eingestellt. Seinen Schmerzpegel gab der Patient mit 7 bis 9 auf der VAS-Skala an.
Die darauf folgende mesotherapeutische Behandlung war recht unspektakulär. Ich behandelte dreimal den gesamten linken Unterschenkel und die Lendenwirbelsäule. Der Schmerzpegel sank daraufhin auf Werte von 3 bis 4 auf der VAS-Skala. Auch konnte der Patient auf seine Schmerzmittel neu eingestellt werden. Nun kommt er mit 1 x 100 mg M-Long und 1 x 800 mg Gabapentin aus. Mit der Mesotherapie konnte ich seine Schmerzen halbieren und seinen Bedarf an Schmerzmitteln auf ein Drittel senken. Der Patient ist zufrieden und benötigt keine weiteren Behandlungen. 


((Kasten:)) Weitere Anwendungsgebiete
Die Erkrankungen, bei denen die Mesotherapie Linderung oder Heilung bringen kann, stammen aus praktisch allen Gebieten der Medizin. Oft handelt es sich um Problemfälle, denen anders nicht oder nur unzureichend geholfen werden kann.

Durchblutungs- und Wundheilungsprobleme

Die Mesotherapie zeigt gute Ergebnisse bei arteriellen und venösen Durchblutungsstörungen bis hin zum Ulcus cruris oder Dekubitus. Bei schlecht heilenden Wunden oder schlechter Narbenbildung (z.B. Keloid, Schwangerschaftsstreifen).

Rheumatische Erkrankungen, Arthrosen aller Art

Chronische Gelenk- und Wirbelsäulen-Erkrankungen mit und ohne Nervenschmerzen sprechen hervorragend auf die Mesotherapie an. NSAR (nichtsteroidalen Antirheumatika) sind auch bei Magenempfindlichen ohne Komplikationen einsetzbar.

Sportverletzungen und Überlastungsschäden

Eines der Haupteinsatzgebiete der Mesotherapie: Sehnenentzündungen (z.B. Tennis-Ellenbogen, Tendinits der Achillessehne) verstauchte Knöchel, Prellungen, Zerrungen usw.

Abwehrschwäche und wiederholte Infektionen, Heuschnupfen

Durch eine besondere Mikrovakzination wird die Abwehr gegen Luftwegsinfekte gestärkt, auch gut und sinnvoll kombinierbar mit der jährlichen Grippe-Impfung bei Risikopatienten. Die Mikrovakzination kann bereits bei Kindern ab zwei Jahren durchgeführt werden. Bei Asthma und Mukoviszidose ist die Mikrovakzination als Begleitmaßnahme möglich und sinnvoll.

Stress, Erschöpfungszustände, Schlafstörungen

Bei psychosomatischen Störungen wie Stresserscheinungen, Nervosität, Burn-out-Syndrom, Schlaflosigkeit oder depressiven Verstimmungen kann die Mesotherapie zur Unterstützung der Gesprächstherapie mit Erfolg eingesetzt werden.

Kopfschmerzen

Gute Erfolge zeigt die Mesotherapie bei Spannungskopfschmerz, Okzipital-Syndrom, Gesichtsneuralgien, Schwindel oder Tinnitus.

Zigarettenentwöhnung

Hier erfolgen die Mikroinjektionen in bestimmte Akupunkturpunkte, was zu einer augenblicklichen Aversion führt. Französische Spezialisten haben Erfolgsquoten von 65 - 70 % auf zwei Jahre, oft nur mit einer einzigen Sitzung.

Alterssichtigkeit und Altersschwerhörigkeit

Durch Verwendung spezieller Substanzen kann hier eine Verbesserung erreicht werden, für Augenärzte und in der Geriatrie eine dankbare Indikation.

((Kasten:)) Weiterführende Infos:
Deutsche Gesellschaft für Mesotherapie e.V., DGM
Präsidentin Dr. med. Britta Knoll
Pariser Platz 4
81667 München
Tel.: +49 (0)89-44717288
Fax: +49 (0)8641-698785
E-Mail: info@mesotherapie.org
Internet: www.mesotherapie.org

Literatur:
1 Cacchio A, De Blasis E, Desiati P, Spacca G, Santilli V, De Paulis F: Effectiveness of treatment of calcific tendinitis of the shoulder by disodium EDTA.
Arthritis Care & Research. Hoboken NJ: Wiley; Bd. 61, 1-2009: 84-91