Die Mesotherapie bei Augenerkrankungen und Alterssichtigkeit

Aus: Die Naturheilkunde vom 14.10.10.

Bis zu 80 % der Umweltinformationen nehmen wir über den Sehsinn auf. Erkrankungen und Beschwerden an den Augen, die die Sehkraft einschränken oder gefährden, belasten Patienten daher besonders stark. Nicht immer bringen Sehhilfen oder konservative Therapieansätze eine für Patienten zufrieden stellende Lösung. Die Mesotherapie kann für Patienten mit Augenleiden eine Alternative darstellen, z. B. wenn man bei einer Alterssichtigkeit noch nicht von Sehhilfen abhängig sein möchte oder bei Augenerkrankungen, bei denen andere Therapiemöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind.

Die Mesotherapie vereint die Prinzipien der Akupunktur und Neuraltherapie mit der Arzneimitteltherapie. Entwickelt wurde sie vom französischen Arzt Michel Pistor (1924 – 2003), der den Begriff Mesotherapie erstmals 1958 verwendete. Meso bezieht sich auf das Mesoderm, das mittlere Keimblatt, aus dem sich unter anderem Haut und Bindegewebe entwickeln, d. h. die Bereiche, die Ziel der Mesotherapie sind. In Frankreich wird sie seitdem erfolgreich praktiziert und mittlerweile auch als akademische Disziplin an Universitäten gelehrt. Seit den 1980er Jahren erfreut sie sich auch in Deutschland bei Patienten und Ärzten wachsender Beliebtheit.

Mesotherapie – Definition und Indikation

Bei der Mesotherapie werden mit feinen Nadeln oder einer speziellen Spritzpistole individuell zusammengestellte Medikamente und Wirkstoffe epi- oder intradermal im zu behandelnden Bereich injiziert. Je nach Indikation wird direkt an dem Ort behandelt, an dem die Beschwerden auftreten, und/oder an Akupunkturpunkten sowie Stellen, die über Reflexzonen bestimmten Organen zugeordnet sind. Injiziert werden für den Patienten individuell zusammengestellte Medikamentenmischungen aus Arzneien, Vitaminpräparaten, homöopathischen und pflanzlichen Mitteln. Ein Lokalanästhetikum, wie Procain oder Lidocain, dient als Trägerlösung und macht die Behandlung quasi schmerzlos.

Aufgrund der lokalen Anwendung bleiben die verwendeten Arzneimengen im Mikrodosisbereich: die Wirkstoffe müssen nicht über den Blutkreislauf transportiert werden und werden deswegen auch nicht durch die Leber teilweise abgebaut, wie es bei anderen Darreichungsformen der Fall ist.

Die Wirksamkeit der Mesotherapie basiert auf dem Zusammenspiel des mechanischen Reizes der Nadelung an festgelegten Stellen und der Kombination pharmakologisch aktiver Substanzen. Mesotherapie kann es leisten, das Gewebe zu stimulieren und zu regenerieren, die Immunzellen zu modulieren und Durchblutung sowie Sauerstoffversorgung zu steigern. Durch die Mikroinjektionen entsteht dabei ein Wirkstoffdepot in der Haut, das einen raschen und anhaltenden Effekt bewirkt. Über Diffusionsprozesse gelangen die Substanzen auch in tiefer liegende Strukturen, aber kaum in den Blutkreislauf. Wenn die Behandlung korrekt ausgeführt wird, treten daher nahezu keine Nebenwirkungen oder Komplikationen auf. In seltenen Fällen können Rötungen, Schwellungen, Hämatome oder allergische Reaktionen der Haut entstehen. Wie jeder medizinische Eingriff unterliegt auch die Mesotherapie spezifischen Vorgaben. Hierzu zählen die sachgemäße Zusammensetzung der Medikamente und die korrekte Injektionstechnik. Als Heilkunde bleibt die Anwendung der Mesotherapie deshalb ausschließlich geschulten Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten.

Eingesetzt wird die Mesotherapie bei den unterschiedlichsten akuten und chronischen Schmerzerkrankungen, in der Prävention, aber auch bei der Rauchentwöhnung und im Bereich der medizinischen Ästhetik. Je nach Fall reichen aufgrund der Langzeitwirkung oft zwei bis drei Sitzungen im Abstand von ein bis vier Wochen aus, um ein dauerhaftes Ergebnis zu erzielen. Die Behandlungen dauern in der Regel nur wenige Minuten. Zu den Anwendungsgebieten gehören unter anderem Durchblutungs- und Wundheilungsstörungen, rheumatische Erkrankungen und Arthrosen, Sportverletzungen, Überlastungsschäden sowie Stresszustände, aber auch Kopfschmerzen und Migräne. Bei chronischen Infekten und Abwehrschwäche wird der immunstimulierende Effekt der Mesotherapie genutzt. Ebenso kann eine mesotherapeutische Mikrovakzination vor Luftwegsinfekten, wie Bronchitis oder Sinusitis, schützen. In der ästhetischen Medizin und im Anti-Aging kommen die Mikroinjektionen als nichtchirurgische Alternative erfolgreich bei der Behandlung von Fältchen, übermäßigem Schwitzen, Cellulite und Haarausfall zum Einsatz.

Opthalmologische Indikationen

Mit der Mesotherapie lassen sich auch diverse Beschwerden und Erkrankungen des Auges behandeln, bzw. die Wirkung anderer Therapien unterstützen. Hierzu gehören die Alterssichtigkeit (Presbyopie), Astigmatismus, eine geringe Kurzsichtigkeit im Kindesalter, altersbedingte Makuladegeneration, Glaukom, Blepharospasmus, Retinitis pigmentosa, akute Sehnervenschädigung, Zentralnerven- und Zentralarterienthrombose usw. Die positive Wirkung der Nadelung konnte für die Augenakupunktur in verschiedenen wissenschaftlichen Studien [1] nachgewiesen werden: bestimmte Areale des Gehirns, die mit dem Sehen in Verbindung stehen, werden stark aktiviert. Ebenso werden Konsistenz und Fließeigenschaften des Blutes und damit die Nährstoffversorgung des Auges verbessert. Die Mesotherapie greift diese Erkenntnisse auf und nutzt verschiedene Substanzen um die Wirkung zu potenzieren.

Mesotherapie bei Presbyopie

Im Gegensatz zu den Fehlsichtigkeiten, wie Kurz- und Weitsichtigkeit oder Astigmatismus, bezeichnet die Alterssichtigkeit nicht eine krankhafte Veränderung des Auges, sondern resultiert aus dem natürlichen Alterungsprozess und der damit einhergehenden Abnahme der Fähigkeit zur Scharfstellung (Akkomodation). Die Akkomodation ist notwendig um zwischen Fern- und Nahsicht zu wechseln. Wenn wir Dinge in der Nähe fixieren, wölbt sich die Linse, indem sich der Ringmuskel am Ziliarkörper zusammenzieht und sich die Zonulafasern entspannen. Im Laufe des Lebens nimmt die Elastizität der Linsenkapsel durch Sklerosierung ab, der Ziliarmuskel wird schwächer, die Linse kann sich nicht mehr so leicht wölben und ihre Brechkraft nimmt ab. Der maximale Nahpunkt, an dem Dinge noch scharf erkannt werden, rückt mit zunehmendem Alter immer weiter in die Ferne. Mit etwa 45 Jahren setzen bei den meisten Normalsichtigen die ersten Probleme beim Lesen ein. Im Alter von 70 Jahren liegt der Nahpunkt dann in etwa zwei Meter Entfernung, danach verändert sich die Sicht meist nicht mehr. Die Symptome der Presbyopie können auch schon früher oder später auftreten, wenn andere Fehlsichtigkeiten vorliegen.

Die Korrektur der Alterssichtigkeit erfolgt zumeist durch Lesebrillen mit Konvexlinsen oder Kontaktlinsen. Möglich ist auch die Implantation von Kunstlinsen oder die Einstellung einer Monovision durch Lasertechniken: Dabei wird ein Auge auf den Nahbereich eingestellt, das andere bleibt scharf für die Fernsicht. Diese Verfahren eignen sich nicht für jeden Patienten, da sie verschiedene Risiken bergen und oft mit Schwierigkeiten beim scharfen bzw. räumlichen Sehen einhergehen. Weitere Techniken befinden sich noch in der Erprobungsphase. Die Mesotherapie setzt dagegen darauf, einer beginnenden Presbyopie entgegenzuwirken und die Notwendigkeit von Sehhilfen hinauszuzögern oder gar unnötig zu machen. Im frühen Stadium kann sie sehr gute Ergebnisse erzielen. Hierzu werden dem Patienten u.a. Buflomedil, Calcitonin und Procain in die Schläfenregion, um die Augen herum und in die Haut über den Halsadern injiziert. Heilpraktiker verwenden alternative Mittel mit ähnlicher Wirkung. Dadurch wird die Versorgung der Augenregion gefördert und der Sklerosierung entgegengewirkt, mit positiven Effekten auf die Elastizität der Augenlinse und die Funktion des Ziliarmuskels.

Oft reicht bereits eine einzige Behandlung, um die Sehleistung im Nahbereich zu verbessern. Die Patienten bemerken den Effekt meist schon innerhalb weniger Minuten. Meist genügen wenige Sitzungen um eine dauerhafte Verbesserung zu erzielen, wie zum Beispiel in einer Studie von Joyeux [2] festgestellt werden konnte: nach der ersten Sitzung stellte sich bei 56 der 60 Probanden eine Verbesserung in der Lesedistanz und/oder in der Sehschärfe ein.
Zwei Monate nach der ersten Behandlung hielt dieser Effekt bei 50 Patienten weiterhin an. Auch nach einem Jahr, in dem die Sitzungen im Abstand von zwei Monaten wiederholt wurden, hatte sich die Sehleistung nicht mehr verschlechtert. Auch wenn die besten Ergebnisse bei beginnenden Formen der Presbyopie erzielt werden, kann ein Versuch bei fortgeschritteneren Fällen durchaus lohnenswert sein.

Beispiel aus der Praxis: Katarakt (Linsentrübung) und erhöhter Augeninnendruck

Oft kommen Patienten in meine Praxis, die als Problemfälle ohne Behandlungsalternativen gelten. Ein 68jähriger Patient mit einem postoperativen Verschluss der A. centralis retinae nach einer Katarakt-OP und einer verbliebenen Sehkraft von lediglich 5 % am linken Auge suchte mich auf, da seine Sehleistung auf dem rechten Auge ebenfalls gefährdet war. Auch hier lagen ein Katarakt sowie ein erhöhter Augeninnendruck vor, allerdings bestanden erhebliche Bedenken gegenüber einer eigentlich notwendigen Operation. Behandelt wurde er seinerzeit mit Drusopt Augentropfen. Der Patient erhoffte sich von der Augen-Mesotherapie eine Verbesserung bzw. den Erhalt der Sehkraft rechts. Bei einer derartigen Indikation hat die Mesotherapie eher experimentellen Charakter, worüber der Patient aufgeklärt wurde.

Der Patient wurde einmalig mit einer Medikamentenmischung aus Procain, Buflomedil, Calcitonin und Piroxicam periokulär, temporal und im Karotis-Bereich behandelt. Zusätzlich wurde eine Horvi-Enzymtherapie begonnen, die danach durch die Heilpraktikerin des Patienten fortgeführt wurde. Statt Drusopt erhielt er Vidisan Augentropfen.

Ergebnis: Innerhalb von 14 Tagen war der Augeninnendruck auf Normalwert abgesunken und der Patient konnte erfolgreich und ohne Komplikationen operiert werden. Die weiteren augenärztlichen Befunde wurden leider nicht übermittelt.

Während zur Behandlung der Alterssichtigkeit bereits wissenschaftliche Daten vorliegen, sind zur Wirkung der Mesotherapie bei anderen augenärztlichen Indikationen nur Einzelfälle bekannt. Angesichts der teilweise sehr guten Ergebnisse erscheint ein individueller Heilversuch aber immer lohnenswert. Auch wenn die Ergebnisse individuell unterschiedlich ausfallen, geht der Patient kaum ein Risiko ein. Aufwand und Kosten der Behandlung sind gering und Nebenwirkungen nur äußerst selten zu beobachten.

Die Erfahrungen aus meiner Praxis und der Austausch mit Kollegen zeigen, dass die Mesotherapie eine kostengünstige und effektive Behandlungsoption sowohl in der Vorbeugung und Behandlung der Alterssichtigkeit als auch bei der Therapie von Augenerkrankungen sein kann.

Literatur:
[1] Wutta, HP / Brucker, B: Theorie und Praxis der Augen-Akupunktur; Hippokrates: 2004.
[2] Joyeux, PA: Traitement médical de la presbytie: résultats après un an à propos de 60 cas. Bulletin SFM, 76; 1990.
Zitiert nach: Le Coz, Jaques: Mesotherapy & Lipolysis. A comprehensive clinical approach; Esthetic Medic: 2008.
- Knoll, Sattler (Hrsg): Bildatlas der ästhetischen Mesotherapie. KVM Medizinverlag, Marburg 2010