Mesotherapie bei Haarausfall

Aus: NATURMED DEPESCHE, Heft 03/2018, August 2018
von Dr. med. Britta Knoll

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Haarausfall zählt zu den typischen Indikationen für die Mesotherapie. Nun zeigte eine Beobachtungsstudie die hohe Erfolgsrate einer neuen Wirkstoffkombination. Damit hat die Mesotherapie das Potenzial, sich zu einem Standardverfahren bei der Behandlung von Haarausfall zu entwickeln.

 

Haarausfall

Unter den diversen Formen des Haarausfalls ist die sogenannte androgenetische Alopezie (AGA) die mit Abstand häufigste. Etwa 95 % aller Haarausfälle sind androgenetisch bedingt. 

Weitere Formen des Haarausfalls sind der hormonell bedingte Haarausfall z. B. nach der Schwangerschaft. Aber auch Stress, Nährstoffmangel, verschiedene Krankheiten, Noxen und Medikamente können Haarausfall verursachen. So ist eine gezielte Blutuntersuchung vor Behandlungsbeginn dringend zu empfehlen (Schilddrüsenhormone, Eisen, Ferritin, eventuell auch ein Hormonstatus).

Die Behandlung von Haarausfall wird klassischerweise über hormonell wirksame und äußerliche Anwendungen bestritten. Häufig sind diese aber mit Nebenwirkungen und nur kurzzeitigen Erfolgen verbunden. Unter den Haartinkturen kann nur der topisch verabreichte Wirkstoff Minoxidil den Haarwuchs wieder anregen. Sein Wirkmechanismus ist nicht bekannt, und wird die Behandlung eingestellt, fallen die Haare wieder aus.

Grundsätzlich gilt, je früher und konsequenter mit der Behandlung des Haarausfalls begonnen wird, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Wenn bereits eine Glatze vorhanden ist bzw. die Haarfollikel nicht mehr existieren, kann auch keine Regeneration des Haarwuchses erwartet werden.

 

Mesotherapie

Ein probates Verfahren zur Behandlung der AGA stellt die Mesotherapie dar.

Hierbei kommen Wirkstoffe und Medikamente über Injektionen in die Haut ausschließlich topisch zur Anwendung. Das erlaubt, mit geringsten Mengen auszukommen, und verhindert gleichzeitig systemische Nebenwirkungen, da die Substanzen nicht in den Blut- und den enterohepatischen Kreislauf 

gelangen. Die Mesotherapie ist deshalb eine besonders verträgliche Behandlungsmethode, die im kurativen Bereich, in der ästhetischen Medizin und im Anti-Aging eingesetzt wird.

Zur Behandlung des Haarausfalls wird klassischerweise ein Revitalisierungscocktail aus u. a. Dexpanthenol, Biotin, Coenzym Q10, Thymusextrakt oder speziellen Wirkstoffkomplexen verabreicht. Der Cocktail wird mit kurzen und sehr dünnen Kanülen über die lineare Ziehtechnik (epidermale Einschleusung mit Langzeitwirkung) oder die Salventechnik epidermal, sowie punktuell intradermal über Bolusinjektionen zwei bis vier Millimeter tief eingebracht. Die Behandlung selbst dauert je nach zu behandelnder Fläche nur wenige Minuten und erfolgt klassischerweise in drei Phasen: eine Aufsättigungsphase mit sechs Sitzungen im wöchentlichen Abstand, eine Übergangsphase mit drei Sitzungen alle zwei Wochen und eine abschließende Erhaltungsphase mit Sitzungen je nach Bedarf, z. B. im monatlichen Abstand. 

Entscheidend für den Erfolg der Mesotherapie sind die handwerklichen Fähigkeiten des Therapeuten und die richtigen Injektionskanülen (0,3 x 13 mm; 0,26 x 4 mm oder 0,2 x 8 mm), da andernfalls die Behandlung (intradermale Bolusinjektion) schmerzhaft sein kann und ggf. zu Therapieabbrüchen führt. 

Anwendungsbeobachtungen zeigen, dass in etwa 80 % der Fälle der Haarausfall ab der dritten Behandlung abnimmt, nach zwei bis drei Monaten gesünderes und volleres Haar nachwächst und sich sogar gering ausgeprägte Formen des kreisrunden Haarausfalls behandeln lassen. (1)

Eine deutsche Pilotstudie mit 33 Patienten konnte einen signifikanten Anstieg der Wachstumsphase des Haars (Anagen-Phase) bei Männern und der Haardichte bei Frauen aufzeigen. (2)

Nun liegen die Ergebnisse einer eineinhalbjährigen Beobachtungsstudie vor, bei der die Wirksamkeit eines neuen Wirkstoffcocktails mit der des bereits erwähnten Minoxidils verglichen wurde. (3)

 

Aktuelle Beobachtungsstudie

Die prospektive Beobachtungsstudie fand zwischen Juli 2016 und Dezember 2017 an drei verschiedenen Zentren in Deutschland statt.

Einschlusskriterien für die Probanden waren diffuse und androgenetische Alopezie. Als Ausschlusskriterien galten Schwangerschaft, antiandrogene Antikonzeptiva oder Hormonersatztherapie seit weniger als sechs Monaten bei Frauen, Finasteridbehandlung bei Männern, hormonsensible Karzinome, irreversibler Haarverlust, Alopecia areata und andere autoimmun bedingte Formen, postpartale Alopezie, chemotherapie- oder strahleninduzierte Alopezie, Schwermetallintoxikation, unbehandelte Eisenmangelzustände und Schilddrüsenstörungen. Die Behandlung mit einem neuen Wirkstoffcocktail erfolgte an 53 Probanden, die Vergleichsgruppe, die mit Minoxidil behandelt wurde, bestand aus acht Probanden. Die Teilnehmer hatten die Gruppe selbst gewählt. 

Das Prüfpräparat (HCPR, Hair Complex Poli Revitalizing) besteht aus diversen Vitaminen (A, B-Vita- mine, C, E, H), Aminosäuren, Nukleinsäuren sowie vier bioidentischen Wachstumsfaktoren (Peptide): Kupfer-Tripeptid-1, SH-Polypeptide-1, SH-Polypeptide-9 und SH-Oligopeptide-2.

Bioidentische Polypeptide werden vor allem in der ästhetischen Medizin zunehmend eingesetzt, da sie den Zellstoffwechsel steigern und somit die Hautverjüngung, -reparatur und -aufhellung ebenso wie das Haarwachstum fördern können.

In Kombination mit den Vitaminen, Amino- und Nukleinsäuren sollen die genannten bioidentischen Polypeptide für eine gesteigerte Versorgung mit essenziellen Haarbaustoffen sorgen, die Regeneration von atrophischen Haarwurzeln unterstützen, Haarstärke, -dichte, -vitalität und -volumen erhöhen, die Anagenphase verlängern und das telogene Effluvium senken.

Gemäß Studienprotokoll fand die Behandlung über einen Zeitraum von sechs Monaten statt und erfolgte in zwei Phasen: eine erste Phase mit drei Behandlungen alle 14 Tage, die dreimal wiederholt wurde, und eine zweite Phase, die einmal monatlich erfolgte und viermal wiederholt wurde. Verabreicht wurden pro Behandlung 1,8 ml HCPR zusammen mit 0,2 bis 0,4 ml Procain als Trägerlösung und zur lokalen Betäubung.

Als Behandlungsrisiken galten injektionsbedingte Blutungen und Kratzer bzw. Reaktionen auf das Produkt. Im Falle einer Schwangerschaft hätte die Behandlung abgebrochen werden müssen. 

In der Vergleichsgruppe wurde zweimal täglich 1 ml Minoxidil gemäß der Dosierungsanleitung für einen Zeitraum von ebenfalls sechs Monaten angewendet, bei Frauen Minoxidil 2 %, bei Männern Minoxidil 5 %.

Hier gelten als Nebenwirkungen Juckreiz, Trockenheit, Schuppung, Hypertrichosis, Hautausschlag, Rötung, Kopfschmerzen, Depression, Hypertonie und Dyspnoe.

Um die Effektivität der Behandlungen zu messen, wurden quantitative und qualitative Kriterien festgelegt. Quantitative Kriterien waren Haardichte pro cm2 und Haardicke. Als qualitative Kriterien galten die per Fragebogen erhobenen Bewertungen der Probanden zu Verträglichkeit, Kosten-Nutzen- Bewertung, Verbesserung der Lebensqualität, Zeitaufwand, Gesamt- zufriedenheit und subjektive Bewertung.

 

Ergebnisse

Nach sechsmonatiger Behandlung zeigten sich folgende quantitativen Veränderungen:

In der HCPR-Behandlungsgruppe nahm die per Trichoscan gemessene Haardichte in 81 % der Fälle zu. Davon steigerte sich bei 45 % der Probanden die Haardichte um bis zu 50 Haare pro cm2, bei 19 % der Probanden war die Steigerung gar doppelt so hoch. Bei weiteren 19 % der Probanden blieb die Haardichte unverändert. Im Vergleich dazu die Minoxidilgruppe, bei der die Haardichte in 50 % der Fälle anstieg, davon bei 25 % um bis zu 50 Haare pro cm2 und bei weiteren 25 % um bis zu 100 Haare pro cm2.

Die Haardicke, gemessen in μm, nahm im gleichen Zeitraum bei der HCPR-Behandlungsgruppe bei 57 % der Probanden zu, davon bei 49 % der Probanden um bis zu 15 μm. Bei 43 % der Probanden blieb eine Steigerung der Haardicke aus.

Im Vergleich dazu die Minoxidilgruppe, bei der die Haardicke bei 25 % der Probanden um bis zu 15 μm anstieg und in 75 % der Fälle unverändert blieb.

Insgesamt waren die Probanden mit der mesotherapeutischen Behandlung zufriedener mit dem Ergebnis als die Minoxidilgruppe.

Von Nebenwirkungen berichteten 21 % der HCPR-Gruppe, im Einzelnen: trockene Kopfhaut, Juckreiz, Schuppen oder Kopfschmerzen.

In der Minoxidilgruppe waren es 25 %, die über fettiges Haar und ungewolltes Wachstum der Gesichts- behaarung berichteten.

Schließlich wurden auch die Therapeuten um ihre subjektive Bewertung gebeten. Diese gaben an, dass die HCPR-Behandlung in 26 % der Fälle zu einer starken Verbesserung und in 55 % zu einer Verbesserung geführt habe. In 17 % der Fälle sei das Ergebnis unverändert geblieben, in 2 % der Fälle habe es sich verschlechtert.

Die Verträglichkeit von HCPR wurde in 36 % mit sehr gut und in 60 % der Fälle mit gut angegeben, nur in 4 % der Fälle wurde die Verträglichkeit als schlecht eingestuft.

 

Bewertung und Fazit

Die minimalinvasive mesotherapeutische Behandlung mit dem getesteten Wirkstoffcocktail und den darin enthaltenen bioidentischen Polypeptiden erwies sich in dieser Studie als wirksam gegen AGA.

Auch wenn die Vergleichsgruppe mit acht Probanden gegenüber der Verumgruppe mit 53 Probanden deutlich kleiner war, deuten die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie darauf hin, dass die mesotherapeutische Behandlung mit HCPR der äußerlichen Anwendung von Minoxidil überlegen ist.

Aber auch unabhängig von diesem Vergleich belegen die quantitativen und qualitativen Ergebnisse der Behandlungsgruppe, dass die Mesotherapie zur Behandlung der AGA indiziert ist und in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zu sehr zufriedenstellenden Ergebnissen führt. Damit legt die Studie nahe, dass sich die Mesotherapie zu einem geeignetem Standardverfahren für die Behandlung der androgenetischen Alopezie etablieren kann.

 

Literatur

1 Knoll B., Sattler G. (Hrsg.): Bildatlas der ästhetischen Mesotherapie. 2. Aufl., KVM, Berlin, 2017

2 Deutsche Pilotstudie mit 33 Patienten, Priv.-Doz. Velten F., Frankfurt, 2012

3 Hundgeburth A., Knoll B.: Prospektive observative HCPR-Studie. Köln, München, Deutsche Gesellschaft für Mesotherapie, 2018