Mesotherapie bei Nackenschmerzen

Aus: AKOM, Heft 11/2017, November 2017
von: Dr. med. Britta Knoll

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Medizinische Hilfe bei einem Massenphänomen

Laut einer in 2016 veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung leiden 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland mindestens einmal im Jahr an mehr oder minder starken Rückenschmerzen. [1] Bei schätzungsweise jedem Dritten äußern sich diese Schmerzen im Bereich der Nacken und Schultergürtelpartie.

Die gute Nachricht dabei: 85 Prozent der akuten Rückenschmerzen gelten als unspezifisch und harmlos. Tatsächlich stuft die „Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ [2] die meisten Rückenleiden als ungefährlich ein, hält eine Verbesserung ohne Intervention für sehr wahrscheinlich und das Beibehalten der Alltagsaktivitäten für eine Genesung für sehr entscheidend.

Trotz dieser guten Aussichten ist es wichtig, die genauen Ursachen von Rücken- wie Nackenschmerzen aufzuspüren und zu behandeln, etwa, um eine Chronifizierung zu verhindern.

Je nach Ursache kann sich für eine solche Behandlung die Mesotherapie empfehlen. Ein wirksames und schonendes Verfahren, bei dem kleinste Mengen an Wirkstoffen mit feinen Nadeln direkt an dem Ort der Beschwerden injiziert werden. Dort wirken sie dann umgehend, gelangen nicht in den Blutkreislauf, belasten den Körper nicht und rufen somit keine Nebenwirkungen hervor.

Doch der Reihe nach, beginnen wir mit der Ursachenforschung.

Nackenschmerzen und ihre häufigsten Ursachen
Der Hals als Verbindung zwischen Kopf und Rumpf stellt eine anatomisch vielschichtige Struktur dar, der physiologisch zahlreiche Aufgaben zukommen. Der hintere Teil ‒ der Nacken ‒ besteht, vereinfacht dargestellt, aus Halswirbelsäule, Nackenmuskulatur, Blutgefäßen und Nerven.

Während die sieben Wirbel der Halswirbelsäule den Kopf tragen, der immerhin ca. sieben Prozent des Körpergewichts ausmacht, sorgen die vordere, prävertebrale und die tiefe Nackenmuskulatur für dessen Beweglichkeit, also Beugen, Strecken, Drehen und Neigen. Dazwischen verlaufen wichtige Blutgefäße, wie die Arteria vertebralis und Nerven, wie der Nervus occipitalis major.

Eine solche komplexe und ständig in Bewegung befindliche Struktur ist mechanisch anfällig und neigt daher zu Beschwerden, die sich meist als Schmerzen äußern.

  • Die Ursache liegt in den allermeisten Fällen in einer Verspannung der Nackenmuskulatur, etwa durch den Arbeitsplatz (Bildschirmarbeit) bedingt, dem ständigen Einklemmen des Telefons zwischen Kopf und Schulter oder anderen Formen der Fehlhaltung, die zu einer Überlastung der Muskulatur führen. Die Muskeln verkürzen sich, verhärten und schränken die Beweglichkeit des Halses ein, der Hals bzw. Nacken wird meist einseitig „steif“ und schmerzt. Solche Schmerzen bezeichnen die Mediziner als unspezifische Nackenschmerzen (im Gegensatz zu den folgenden spezifischen Nackenschmerzen). 
  • Zu den mechanisch bedingten Ursachen von Nackenschmerzen zählen auch Verletzungen wie Zerrungen oder die Folgen eines Schleudertraumas. Schwerwiegender sind Bandscheibenvorfälle, Bänderrisse, Wirbelverrenkungen oder gar -brüche.
  • Nackenschmerzen können durch krankheits- oder altersbedingte degenerative Veränderungen wie Chondrose, Facettengelenkarthrose und Spondylose ausgelöst werden. 
  • Schließlich gehört auch der akute Schiefhals, z.B. durch Fehlhaltung oder Zug bedingt, zu den häufigeren Ursachen mechanisch bedingter Nackenschmerzen. Deutlich seltener, aber umso wichtiger hinsichtlich einer korrekten Diagnose, sind Hirnhautentzündung, vergrößerte Lymphknoten im Bereich des Halses, Schilddrüsenkrebs und Retropharyngealabszess. 

Nicht immer erweisen sich Nackenschmerzen als mechanisch bedingt. Auch diverse Krankheiten können zu Schmerzen im Bereich des Nackens führen, werden dann allerdings meist von weiteren Symptomen begleitet.

  • Zu den typischen Erkrankungen, die Nackenschmerzen mit auslösen, zählen die Autoimmunerkrankungen des rheumatischen Formenkreises Morbus Bechterew, rheumatoide Arthritis und Polymyalgie, aber auch Fibromyalgie, Osteoporose, Migräne und Spannungskopfschmerz. 

Mitunter liegen auch psychisch bedingte Nackenschmerzen vor bzw. hat oftmals die Psyche einen entscheidenden Anteil daran, wie stark sich die Schmerzen äußern und ob diese ggf. chronisch werden.

  • Führt beispielsweise eine arbeitsplatzbedingte Fehlhaltung zu Nackenschmerzen, kann zusätzlicher Stress am Arbeitsplatz diese Schmerzen deutlich verstärken. 

Schließlich prägen sich Nackenschmerzen auch als übertragene Schmerzen (reffered pain) aus, die woanders ihren Ursprung haben und bis in den Nacken ausstrahlen.

  • Ursächlich sind meist myofasziale Verspannungen oder Verhärtungen, sog. Triggerpunkte, etwa im Bereich der Rücken- und/oder Kaumuskulatur, die Schmerzen auf den Nacken übertragen. 
  • Auch Organerkrankungen, z.B. der Herzkranzgefäße, des Herzens oder der Lunge können für Schmerzen im Nacken verantwortlich sein; man spricht dann von viszeralen Übertragungsschmerzen. 

Nackenschmerzen richtig diagnostizieren
Die sehr unterschiedlichen und in seltenen Fällen auch schwerwiegenden Ursachen von Nackenschmerzen machen deutlich, wie wichtig eine korrekte Diagnose ist.

Lassen Anamnese, Beschwerdebild und körperlicher Befund keine eindeutige Bestimmung zu, sollte der Mediziner die Diagnose unbedingt um bildgebende Verfahren ergänzen. Gegebenenfalls muss er Fachärzte (z.B. Internist, Rheumatologe, Neurologe, Psychotherapeut) mit einbeziehen.

Für Diagnose und Therapie erweist sich auch die Dauer der Schmerzen als relevant. Als akut gelten Nackenschmerzen, die bis zu drei Wochen anhalten. Bei über drei Monaten stuft man sie dann als chronisch ein. Die Zeiträume dazwischen lassen sich als subakut oder subchronisch bezeichnen. Treten die Schmerzen wiederkehrend auf, sprechen die Mediziner von rezidivierenden oder episodischen Schmerzen.

Statistisch betrachtet rufen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle einfache Muskelverspannungen Nackenschmerzen hervor. Zu den häufigen Ursachen zählen hingegen Verletzungen, degenerative Veränderungen, übertragene Schmerzen, psychische Gründe und die schwer zu diagnostizierende Fibromyalgie. Alle anderen oben aufgeführten Auslöser treten nur selten auf.

Die klassische Behandlung von Nackenschmerzen
Führen Muskelverspannungen zu akuten Nackenschmerzen, dann werden diese typischerweise mit Schmerzmitteln symptomatisch behandelt.

Zum Einsatz kommen dabei je nach Diagnose, Schmerzempfinden und etwaigen Überempfindlichkeiten die Wirkstoffe Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS), Ibuprofen oder Diclofenac. Ihre Verwendung darf nur niedrig dosiert erfolgen und auch nur über einen kurzen Zeitraum, da die Medikamente Nebenwirkungen haben.

  • So sollte Paracetamol bei Leber- oder Nierenschädigungen gemieden werden und kann in seltenen Fällen zu einem Anstieg der Leber-Enzym-Werte führen.
  • Zu den häufigen Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure zählen, bereits bei geringer Dosierung, Sodbrennen, Erbrechen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall und Mikroblutungen im Magen-Darm-Bereich.
  • Ähnliche Nebenwirkungen wie die Acetylsalicylsäure zeigt auch Ibuprofen. Hier treten sie allerdings sehr häufig auf.
  • Bei Diclofenac sind bei bereits geringer Dosierung u.a. Hautausschlag, Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Blähungen, Appetitlosigkeit und Transaminasenanstieg als häufige Nebenwirkungen zu nennen. 

Bei bereits subakuten oder chronischen Schmerzen sollte eine physiotherapeutische Behandlung verordnet werden, die zum Ziel hat, die verspannte Muskulatur wieder beweglich zu machen, zu dehnen, und ggf. zu kräftigen. Auch bei degenerativen Veränderungen ist Physiotherapie meist angezeigt.

Es erweist sich natürlich als sehr hilfreich, wenn der Patient auch selbst aktiv daran mitwirkt, dass seine Nackenschmerzen wieder abklingen. Übungen für Zuhause für eine korrekte Körperhaltung, Änderungen am Arbeitsplatz, Entspannungsübungen, Wärmebehandlungen (Rotlicht, Pflaster) und anderes mehr leisten dazu einen wesentlichen Beitrag.

Mesotherapie als alternative Behandlungsform
Solange bei lokal auftretenden Beschwerden Schmerzmittel oral, intramuskulär oder intravenös verabreicht werden, gelangen diese in den enterohepatischen und den Blutkreislauf, wo sie systemisch wirken und Nebenwirkungen auslösen können. Der „Umweg“ über den gesamten Organismus erfordert zudem größere Mengen an Schmerzmitteln, was die Problematik von Nebenwirkungen zusätzlich erhöht.

Ideal ist daher eigentlich deren topische Verabreichung, also direkt dort, wo die Schmerzen sitzen. Die Vorteile hierbei: Die Wirkstoffe lassen sich in deutlich geringeren Mengen verabreichen, sie agieren umgehend und belasten den Organismus nicht.

Genau das stellen die wesentlichen Prinzipien dar, auf denen die Mesotherapie fußt, jenes minimalinvasive Behandlungsverfahren, dass der französische Arzt Michel Pistor (1924-2003) Ende der 1950er-Jahre entwickelt hat.

Dabei injiziert man geringste Mengen an Wirkstoffen mit kurzen, feinen Nadeln in die Haut oder den subkutanen Bereich direkt am jeweils zu behandelnden Ort.

Verwendung finden wahlweise Allopathika, Homöopathika, Phytopharmaka, Oligoelemente, wobei in der Regel nicht mehr als vier Wirkstoffe unmittelbar vor der Anwendung individuell zusammengemischt werden.

Da nur spezielle Kanülen (Länge: 4-13 mm; Ø: 0,3 mm) zum Einsatz kommen und ein Lokalanästhetikum (Procain oder Lidocain) als Trägerlösung für die Wirkstoffe dient, verursachen die Mikroinjektionen kaum Schmerzen.

Die Mesotherapie hat in den letzten Jahren vor allem als sanfte Alternative zu Schönheitsoperationen von sich reden gemacht. Therapeutisch „wertvoller“ ist allerdings ihr kurativer Einsatz. Dabei geht es keineswegs nur um die Linderung von Schmerzen. Vielmehr deckt die Mesotherapie ein sehr breites Behandlungsfeld ab, dass u.a. Hauterkrankungen, Durchblutungs- und Wundheilungsprobleme, immunologische Störungen, Sportverletzungen und Überlastungsschäden, Stress, Erschöpfungszustände, Kopfschmerzen und Migräne, gynäkologische Beschwerden und die Raucherentwöhnung umfasst. Auch Alterssichtigkeit und -schwerhörigkeit kann die Mesotherapie bessern.

Mesotherapie bei unspezifischen Nackenschmerzen
Wenn Muskeln z.B. am Nacken verspannen, kontrahieren sie dauerhaft und erschweren damit die eigene Blut- und Sauerstoffversorgung. Hierauf reagiert der Körper mit Schmerzen. Eine wirksame Behandlung sollte daher nicht nur die Nackenschmerzen lindern, sondern gleichzeitig die betroffenen Muskeln entspannen und deren Durchblutung fördern.

Dieses Ziel verfolgt die Mesotherapie. Zur Behandlung unspezifischer Nackenschmerzen werden hier 1 ml des Lokalanästhetikums Lidocain oder Procain 1% mit 0,5 ml Pentoxifyllin, 0,5 ml muskelrelaxierendes Miorel® (Thiocolchicoside aus Frankreich) sowie 0,1 ml Piroxicam gemischt und dann mit schnellen, linearen Einstichen im Abstand von wenigen Millimetern in die Haut über dem gesamten betroffenen Muskel injiziert. Die Wirkstoffe verteilen sich über Diffusionsprozesse, von der Haut ausgehend bis in Muskeln und sogar Gelenke und haben einen deutlich länger anhaltenden Effekt als bei systemischer Gabe.

Mit der Wirkstoffkombination punktet die Mesotherapie dreifach: Sie wirkt ebenso schmerzlindernd wie die konventionelle Behandlung, gleichzeitig aber auch muskelentspannend und durchblutungsfördernd. Und weil die Verabreichung in geringsten Mengen nur vor Ort erfolgt, bleibt sie frei von systemischen Nebenwirkungen.

Falls ergänzend auch eine neurovegetative Regulation notwendig sein sollte, kann zusätzlich, z.B. im Bereich des Solarplexus, des kardialen und mesenterialen Plexus, mit einer Medikamentenmischung aus 1 ml Procain 1%, 0,1 ml Diazepam und 0,1 ml Magnesium gearbeitet werden.

Grundsätzlich empfiehlt sich, Schmerzbehandlungen mit der Mesotherapie möglichst frühzeitig durchzuführen, um Chronifizierungen zu verhindern. Erfahrungsgemäß zeigen sich bereits nach dem ersten Termin sehr gute Ergebnisse. Weitere Therapiesitzungen sollten, falls notwendig, eher selten und mit ausreichenden Abständen erfolgen (zumindest eine Woche) – ein weiteres, wichtiges Prinzip der Mesotherapie.

Mesotherapie bei spezifischen Nackenschmerzen
Bei Nackenschmerzen aufgrund von myofaszialen Verspannungen werden erst die Schmerz auslösenden Triggerpunkte ertastet und markiert und anschließend für deren Behandlung eine Medikamentenmischung aus 1 ml Lidocain 1% und 0,2 ml Piroxicam (NSAR) hergestellt. Diese injiziert der Therapeut dann zu jeweils 0,2 ml in die markierten Punkte. Für die betroffene Nackenmuskulatur hingegen verwendet er die gleiche Medikamentenmischung wie bei unspezifischen Nackenschmerzen.

Bei Nackenschmerzen infolge degenerativer Veränderungen wählt der Therapeut unterschiedliche Kompositionen, je nachdem, ob hier ein Entzündungsprozess vorliegt oder nicht. Zur Anwendung kommt den Knochenstoffwechsel normalisierendes Lachs-Calcitonin 25 IE, dem 0,5 ml Procain und 0,5 ml Gold Amp. Bock sowie 0,5 ml Pentoxifyllin beigefügt werden. Eine sinnvolle Ergänzung ist immer die Zugabe von 0,2 ml unvernetztem Hyaluron mit Bio-Revitalizern, welches durch Wasserbindung im Gewebe ein optimales Heilmilieu bildet und die strukturelle Regeneration unterstützt. Liegt eine Entzündung vor, ergänzt er die Mischung mit Piroxicam 0,2 ml.

Die Behandlung von Nackenschmerzen nach Verletzungen (z.B. Schleudertrauma) erfolgt in der Regel einmalig. wird eine Mischung aus 1 ml Lidocain 1%, 1 ml Pascoe-Agil HOM Injektopas®, 0,1 ml Miorel® und 0,1 ml Piroxicam.

Fazit
Die aufgeführten Beispiele zur Behandlung unspezifischer wie spezifischer Nackenschmerzen zeigen, dass die Mesotherapie bei deren häufigsten Formen eine gute Alternative zur klassischen Behandlung darstellt. Frei von systemischen Nebenwirkungen, genügen hier geringste Mengen an Wirkstoffen, um eine meist lang anhaltende Wirkung zu erzielen.

Damit die Schmerzen idealerweise nicht wiederkehren, sind natürlich auch in der Mesotherapie das aktive Mitwirken des Patienten und ggf. eine begleitende Physiotherapie angezeigt. Als Heilverfahren bleibt die Ausübung der Mesotherapie ausschließlich Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten.

Mehr zum Thema
[1] Volbracht, E., Grote-Westrick, M., Fürchtenicht, A.: Spotlight Gesundheit. Rückenschmerzen. Bertelsmann Stiftung. 5-2016
[2] https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-007l_S3_Kreuzschmerz_2017-03.pdf