Mesotherapie in der Behandlung chronischer Erschöpfungszustände

Aus: Die Naturheilkunde, Heft 4-2015, August 2015  

von Britta Knoll  

Chronische Erschöpfungszustände stellen keine eigene Erkrankung dar, sondern sind Leitsymptom diverser Krankheiten oder Beschwerden mit teils sehr unterschiedlicher Pathogenese, die mitunter schwer zu diagnostizieren sind oder deren Definition umstritten ist. Ihre wirksame Behandlung – ob mit der Mesotherapie oder anderen Ver-fahren – ist daher abhängig von der jeweils zugrunde liegenden Erkrankung.    

Leitsymptom diverser Erkrankungen  
Zu den Erkrankungen, deren Hauptbeschwerde eine anhaltende Erschöpfung ist, zählt das chronische Erschöpfungs- oder Müdigkeitssyndrom / (benigne) Myalgische Enzephalomyelitis (CFS/ME; ICD-10-GM: G 93.3). Dabei handelt es sich um eine neurologi-sche Erkrankung mit unklarer Ursache. Sie zeigt sich in einer andauernden, um mindestens 50 Prozent verringerten Leistungsfähigkeit, die seit mehr als sechs Monaten be-steht (bei Kindern drei Monate).  
CFS/ME wird von einer Zustandsverschlechterung und/oder Erschöpfung nach Belastung, von Schlafstörungen und Schmerzen (Myalgien und ggf. Kopfschmerzen) begleitet, weist spezifische neurologische oder kognitive Symptome auf sowie zusätzliche spezifische Symptome aus den Bereichen Vegetativum, endokrinologisches System und Immunsystem.  
Da CFS/ME keine spezifischen Labor- oder Untersuchungsbefunde liefert, in seiner Symptomatik einer Vielzahl anderer Erkrankungen ähnelt und oft mit Begleiterkran-kungen einhergeht, lässt es sich nur mit einer aufwendigen Ausschlussdiagnostik feststellen.  

Eine Erkrankung, die die internationale Krankheitsklassifikation ICD1 nicht kennt, ist das Fatigue- oder Erschöpfungs-Syndrom (Kurzform: Fatigue). Denn hierbei handelt es sich um ein Symptom, das Krebsbehandlungen und chronische Erkrankungen wie z.B. schwere chronische Herz- und Lungenerkrankungen, Rheuma, Multiple Sklerose und Fibromyalgie begleiten kann.  
Fatigue tritt meist nach Therapiebeginn auf und hat wohl diverse psychische und somatische Ursachen. Es äußert sich als ein Zustand fortwährender Erschöpfung, Müdigkeit und Antriebslosigkeit, der selbst nach Abschluss einer Therapie noch längere Zeit anhalten kann und vermehrt bei Frauen auftritt.  

Schwer zu diagnostizieren und mitunter als Verlegenheitsdiagnose verwendet, ist die Neurasthenie (ICD-10-GM: F 48.0) - Nervenschwäche oder reizbare Schwäche. Sie gilt als psychische Störung (Neurose), die mit einer sehr umfangreichen Symptomatik einhergeht, zu der u.a. Ermüdung, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Niedergeschlagenheit und Reizbarkeit zählen. Als Diagnose wird Neurasthenie oft dann gewählt, wenn eine Erkrankung des peripheren Nervensystems (Neuropathie) oder andere organische Ursachen ausgeschlossen werden können. In wie weit die Neurasthenie mit dem Burnout-Syndrom gleichgesetzt werden kann, ist fachlich umstritten.    

Der Burnout wird in der internationalen Krankheitsklassifikation ICD zwar gesondert aufgeführt (ICD-10-GM: Z73), allerdings nicht als Krankheit, sondern zählt zu den „Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“. Burnout ist demnach keine Light-Version der Depression, kann aber sehr wohl von einer Depression begleitet werden, bzw. führt nach Freudenberger und North in eine depressive Phase2.  Auch wenn der Burnout in Hinblick auf seine Symptomatik mit emotionaler Erschöp-fung, Depersonalisierung und Erleben von Misserfolg klar umrissen ist, muss festgehalten werden, dass eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs bis heute fehlt. Das liegt auch an den unterschiedlichen Erklärungsmodellen, wonach Burnout entweder dem heutigen Arbeitsleben anzulasten ist und eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung darstellt3 oder allgemein durch anhaltenden Stress ausgelöst wird, den die betroffene Person meint nicht bewältigen zu können4. Solange eine klare Definition des Burnout fehlt, lassen sich nur schwer valide Aussagen zu psychologischen und medikamentösen Therapien und deren Wirksamkeit tätigen.

Ein eigenes, sehr umfangreiches Kapitel stellt die Depression als psychische Störung mit ihren komplexen Ursachen (genetisch, neurobiologisch, hormonell bedingt, stress-bedingt, infektionsbedingt, psychologisch) und ihren unterschiedlichen Formen und Schweregraden dar.  
Die internationale Krankheitsklassifikation ICD unterscheidet dabei zwischen einer sog. depressiven Episode (leicht, mittelgradig oder schwer; ICD-10-GM: F 32) und einer re-zidivierenden depressiven Störung (ICD-10-GM: F 33).
Typisch für die Depression sind je nach Schweregrad mindestens zwei der folgenden drei Leitsymptome: gedrückte Stimmung, Verlust von Interesse und Freude sowie eine ausgeprägte Müdigkeit bereits nach kleinsten Anstrengungen.  Zu den weiteren Symptomen zählen meist verminderte Konzentration, unruhiger Schlaf sowie mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Deutliche psychomotorische Hemmung, Unruhe, Appetitverlust, Gewichtsabnahme so-wie mangelnde Libido können als sog. „somatische“ Symptome eine depressive Episode begleiten.  Treten die depressiven Episoden wiederholt auf, spricht man von einer rezidivierenden depressiven Störung. Soweit auch eine manische Episode die depressiven Episoden er-gänzt, wird die psychische Störung als bipolare affektive Störung (ICD-10-GM: F 31) bezeichnet.

Mesotherapie bei der Behandlung chronischer Beschwerden
Die Mesotherapie ist ein minimalinvasives Behandlungsverfahren, das schulmedizinische Konzepte mit naturheilkundlichen Ansätzen verbindet und ausschließlich Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten ist.  
Auch wenn die Mesotherapie heute vermehrt in der ästhetischen Medizin und im Anti-Aging von sich reden macht, liegen ihre Ursprünge im kurativen Bereich, in dem sie sich seit Ende der 1950er Jahre als wirksames, schonendes und nahezu schmerzfreies Behandlungsverfahren bewährt hat.
Charakteristisch für die Mesotherapie ist die Verabreichung gering dosierter und individuell zusammengestellter Wirkstoffe mittels kurzer, feiner Nadeln in die Haut oder den subkutanen Bereich am jeweils zu behandelnden Ort.  
Die lokale Verabreichung hat den großen Vorteil, dass die Wirkstoffe nicht den Weg über den Blutkreislauf nehmen müssen und somit kaum Nebenwirkungen auslösen können, zumal ihr Einsatz an der jeweils zu behandelnden Stelle nur minimale Dosen erfordert.  Schmerzen verursachen die Injektionen kaum, zum einen, weil die verwendeten kurzen Kanülen ( 4 mm, 6 mm, 10 mm) sehr dünn sind (0,3 mm) und über einen schmerzreduzierenden Schliff verfügen, zum anderen, weil als Trägerlösung für die Wirkstoffe ein Lokalanästhetikum (Procain oder Lidocain) verwendet wird.

Mit unterschiedlichen Injektionstechniken lassen sich die Schnelligkeit der Anflutung der Wirkstoffe und deren Verweildauer im Gewebe steuern:  

  • Bei der epidermalen superfiziellen Technik werden mit der Kanüle lediglich Linien über die Haut gezogen, entlang derer die Wirkstoffe von der Haut resorbiert werden.  
  • Mit der Infiltration werden die Wirkstoffe in geringen Mengen (0,1 ml) nur wenige Millimeter tief in die Haut injiziert.  
  • Mit der Technik des Quaddelns lassen sich Wirkstoffdepots in der Haut anlegen.  
  • Injektionen können auch in Serie erfolgen, hierbei reichen die Injektionen 2 bis 4 mm tief in die Haut und beträgt die Wirkstoffmenge pro Einstich 0,01 bis 003 ml.      
  • Die Salventechnik dient schließlich der schnellen Behandlung großer Flächen, meist mit Hilfe einer sog. Mesotherapie-Pistole mit der Injektionstiefe, zu verabreichende Menge und Anzahl der Injektionen pro Minute genau festgelegt werden kann.    

Je nach Indikation werden unterschiedliche Wirkstoffe unmittelbar vor der Anwendung individuell zusammen gemischt. Hierbei kommen wahlweise Allopathika, Homöopathi-ka, Phytopharmaka, Oligoelemente, Organ-, Enzym- oder Vitaminpräparate zum Einsatz, wobei in der Regel nicht mehr als vier verschiedene Wirkstoffe kombiniert werden.

Oft erfolgen die Injektionen direkt dort, wo die Symptome auftreten. Bei chronischen Erkrankungen oder zur Behandlung chronischer Leitsymptome wie Erschöpfungszu-ständen sind hingegen Akupunkturpunkte und die Head’schen Zonen (Dermatome) die bevorzugten Stellen, an denen die Mesotherapie Anwendung findet.  
Durch die verabreichten Wirkstoffe und die Nadelung wird hier über das periphere Nervensystem im Zusammenwirken mit Gehirn, endokrinem System und Immunsystem eine systemische Wirkung erzielt. Diese kann zu einer Verbesserung oder gar Abklingen der Symptomatik und der zugrunde liegenden Erkrankung führen.  

Mesotherapie zur Behandlung des Leitsymptoms chronischer Erschöpfungszustand
Zur mesotherapeutischen Behandlung des chronischen Erschöpfungs- oder Müdigkeitssyndroms / (benigne) Myalgische Enzephalomyelitis, aber auch bei chronischem Stress, zeigt folgende Wirkstoffkombination gute Resultate:  Procain 2% 0,4 ml + Maginjectable 0,4 ml + Infi Dys/dystologes 0,4 ml + Saroten 0,4 ml.  

Die genannte Wirkstoffkombination ist auch angezeigt bei depressiven Episoden oder postpartaler Depression.

Zur mesotherapeutischen Behandlung bei Burnout empfiehlt sich hingegen folgende Wirkstoffkombination: Spascupreel 0,5 ml + Neuro injeel 0,5 ml + Tonico injeel 0,5 ml + Cerebrum injeel 0,5 ml + Vitamin B 12-Loges 0,5 ml.  

Zur mesotherapeutischen Behandlung von Schlafstörungen, nervösen Krisen und Ängsten ist folgende Wirkstoffkombination angezeigt: Procain 2% 0,4 ml + Maginjectable 0,4 ml + Infi Dys/dystologes 0,4 ml + Diazepam 0,2 ml.  

Die oben aufgeführten Indikationen werden alle nach dem gleichen Injektionsschema behandelt: die Injektionen erfolgen vorderseitig im Bereich des Thorax sowie am Rücken, seitlich entlang der Brust- und Lendenwirbel (siehe Grafik 1). Die Injektionen werden dabei intradermal, als Serie sowie mit Salventechnik verabreicht.  

Bei männlichen Patienten, die an chronischer Erschöpfung (oder erektiler Dysfunktion) leiden, kommt folgende Wirkstoffmischung zur Anwendung:  
Hormeel 0,3 ml + Testis Heel 0,3 ml + Hypophysis Suis Heel 0,3 ml + Infi Damiana 0,3 ml + Infi Cantharis 0,3 ml, Milz Extrakt 0,3 ml.
Die Anwendung erfolgt hier mittels Infiltration, Serie und Salve entlang der Leiste, prävesikal und auf der Innenseite der Oberschenkel.

Fazit  
Eingebettet in ein ganzheitliches Konzept, biete ich schon seit vielen Jahren eine Art lebensbegleitendes medizinisches Coaching an, bei dem präventive und kurative, bzw. lifestyle und auch ästhetische Leistungen individuell und bedarfsgerecht zum Einsatz kommen. Hilfestellung bei krankmachendem Stress, chronischen Überforderungssituationen und ihren Folgen gehört zu unseren täglichen Aufgaben. Gerade in der naturheilkundlich orientierten Praxis ist heute nicht der bequeme Griff nach chemischen Lifestyle-Drogen angesagt, sondern nachhaltige Lösungen, im Sinne von zielorientierter Beratung und aktiv unterstützenden regulationsmedizinischen Behandlungen wie der Mesotherapie.  
Anfangs wöchentlich durchgeführt, führt sie innerhalb weniger Monate häufig zu einer dauerhaften Besserung der oft stark vegetativ geprägten Symptomatik und einer deutlichen funktionellen und psychischen Erholung. Und das quasi ohne Nebenwirkungen, Abhängigkeitspotential oder lange Ausfallzeiten.  

Autorin:
Dr. med. Britta Knoll, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren
Vorsitzende DGM
Pariser Platz 4
81667 München  

Quellen:
1 www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm
2 Freudenberger, H; North, G.: Burnout bei Frauen. Fischer Verlag, Freiburg, 2011
3 Jaggi, F.: Burnout – praxisnah. Thieme, Stuttgart, 2008
4 Lazarus, R.: Stress and Emotion. A New Synthesis. Free Association Books, London 1999  

Mit freundlicher Genehmigung der Forum-Medizin Verlagsgesellschaft GmbH