Wie die Mesotherapie den Schmerz beseitigt

Akute Beschwerden des Bewegungssystems können schnell chronisch werden und dann äußerst hartnäckig sein. Die Mesotherapie stellt hier eine noch weitgehend unbekannte effektive Behandlungsmethode dar.

aus: natürlich gesund & munter, Heft 1/2015
Autorin: Kirstin Segler

Der Schmerz kam ohne Vorwarnung – Hexenschuss, vermutet der Patient. „Ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist“, sagt der 72-Jährige, als er in die Sprechstunde von Dr. Edeltraud Rau kommt und sich vorsichtig auf einen Stuhl setzt. Die Beschwerden konzentrieren sich auf das untere Ende der Wirbelsäule, ohne in die Beine auszustrahlen. Es gibt keine Hinweise, die auf Bandscheibenvorfall hindeuten. Der Patient erzählt, er habe ein gängiges Schmerzmittel eingenommen, aber das habe nichts geholfen, im Gegenteil: „Davon habe ich auch noch Magenschmerzen bekommen.“ Ein typischer Gesprächsverlauf: „Viele Patienten machen die gleiche Erfahrung mit den sogenannten nichtsteroidalen Schmerzmitteln, auch Antirheumatika oder NSAR genannt“, sagt sie. „Daher werde ich oft nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten gefragt.“  

Schonend ohne Nebenwirkungen  
Eine typische schulmedizinische Vorgehensweise besteht in solchen Situationen oft darin, dem Patienten das NSAR zu spritzen, womöglich sogar zusammen mit Cortison. Doch solche Injektionen sind mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden. Deshalb arbeitet Dr. Rau lieber mit der wesentlich schonenderen Mesotherapie. „Bei ihr werden die Wirkstoffe nach dem Motto ,Wenig – selten – am richtigen Ort‘ eingesetzt.“ Auch bei diesem in Deutschland noch wenig verbreiteten Verfahren (siehe Kasten) wird ein NSAR-Schmerzmittel verwendet, aber nur wenige Tropfen, und zudem ein ebenfalls minimal dosiertes Lokalanästhetikum (örtlich betäubendes Mittel). Diese Wirkstoffe werden mit individuell abgestimmten homöopathischen Ampullen sowie gegebenenfalls weiteren Wirkstoffen wie etwa Vitaminen kombiniert und nicht geschluckt, sondern dort aufgebracht, wo es weh tut. . „Durch diese Kombination wird der Schmerz verringert, die Entzündung zum Abklingen gebracht und außerdem die Regeneration des geschädigten Gewebes angeregt“, schildert Rau. Man dürfe jedoch nicht ungeduldig sein: „Es kann mehrere Tage dauern, bis es zu einem Umschwung kommt – aber dafür muss man auch keine Nebenwirkungen befürchten.“ Für eine nachhaltige Besserung sind meist zwei bis drei Behandlungen im Abstand von jeweils rund 14 Tagen ausreichend. Die Ärztin setzt das Verfahren oft bei Beschwerden im Bereich der Sehnen, Bänder, Muskeln und Faszien ein, also Sportverletzungen, Überlastungsschäden (zum Beispiel Entzündungen der Achillessehne) oder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, wie sie beim Schulter-Arm-Syndrom auftreten. „Bei all diesen Beschwerden beobachte ich in 98 Prozent der Fälle einen guten Heilungseffekt mit der Methode“, sagt Rau. Auch bei Hautproblemen wie juckenden Ekzemen oder Sensibilitätstörungen konnte sie mit der Mesotherapie schon häufig helfen.

Zarte Reize auf Akupunkturpunkte  
Der Patient mit den Rückenschmerzen ist skeptisch, aber dennoch bereit, einen Versuch zu wagen. Mit etwas Mühe legt er sich auf die vorbereitete Liege im Behandlungszimmer. Dr. Rau mischt die individuell für ihn gewählten Wirkstoffe und zieht sie in einer speziellen Spritze mit ultrafeiner und biegsamer Nadel auf. Damit streicht sie im gesamten Schmerzareal entlang der Akupunktur-Meridiane über die Haut und hinterlässt die Wirkstoffmischung als feine Tropfen auf der Haut – wie kleine Perlen auf einer Schnur. Es handelt sich also um einen ganz zarten Reiz auf die Energiebahnen, der überhaupt nicht weh tut, aber dennoch effektiv ist. Anschließend muss der Patient eine Viertelstunde ruhig liegen bleiben, damit die Wirkstoffmischung durch die Haut diffundieren und sich von dort aus in tiefere Schichten verteilen kann. Er wundert sich, dass nicht mehr passiert: „Stechen Sie mich mit der Spritze denn überhaupt nicht?“ In seinem Fall ist es tatsächlich unnötig, in anderen Fällen kann damit die Wirkung intensiviert werden. Dann spritzt Edeltraud Rau zusätzlich zu den zarten Strichen die Injektionsflüssigkeit an wenigen gezielt ausgewählten Stellen – oft sind das Akupunkturpunkte – dicht unter die Haut und setzt damit kleine Depotquaddeln. Auch das ist in der Regel nicht schmerzhaft.  

Synthese mehrerer Therapien  
Die Mesotherapie wirkt also auf unterschiedliche Art und Weise auf die Haut und die verschiedenen Strukturen des Bindegewebes ein: Durch die physikalische Stimulation der Akupunkturpunkte und Meridiane, die arzneiliche Wirkung der verabreichten Substanzen sowie die minimale örtliche Betäubung, die im Sinne einer Neuraltherapie verhindert, dass sich das Schmerzzentrum zu einem Störfeld entwickelt. „Das Verfahren ist somit eine Synthese aus Schulmedizin, Homöopathie, Akupunktur und Neuraltherapie“, sagt Dr. Rau. Durch die Kombination mehrerer verschiedener Wirkprinzipien werden entzündliche Erscheinungen und Schmerzen nicht bloß unterdrückt, sondern die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert. „Nicht alle Patienten können mit dem Verfahren geheilt werden“, warnt Rau. So wird etwa eine zerstörte Gelenkstruktur nicht wieder aufgebaut. „Ein zertifizierter Mesotherapeut kann seinem Patienten aber vor Beginn der Behandlung eine Einschätzung dazu geben, wie gut seine Heilungsaussichten sind – meist ist zumindest eine Besserung der Beschwerden möglich.“ Zu seiner eigenen Überraschung wirkt die sanfte Therapie bei dem Rückenpatienten jedoch so gut, dass er ganz begeistert ist: „Wenn ich meinen Freunden erzähle, dass ich durch ‚Streichelei‘ mit einer Spritze kuriert wurde, rennen die Ihnen die Bude ein.“

Mesotherapie – ein gut etabliertes Verfahren

In Deutschland ist die Mesotherapie noch sehr wenig bekannt, während sie zum Beispiel in Frankreich schon seit Jahrzehnten eingesetzt wird und weit verbreitet ist. Der Name bezieht sich auf das mittlere (griechisch meso) der drei embryonalen Keimblätter, aus dem sich unter anderem Haut, Bindegewebe, Muskeln und Faszien entwickeln. Das Verfahren wird nicht nur in der Schmerztherapie eingesetzt, sondern auch in der ästhetischen Medizin zum Beispiel gegen Akne, Rosacea, Narben, Dehnungsstreifen und Falten sowie bei diversen Formen von Haarausfall. Es darf nur von Ärzten und Heilpraktikern angewandt werden. Ausgebildete Therapeuten finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Mesotherapie (www.mesotherapie.org oder Tel. 089/44717288). Die Kosten werden nur von den privaten Krankenversicherungen erstattet und betragen je nach Art der Beschwerden pro Sitzung 40 bis 160 Euro. Die Behandlung akuter oder chronischer Schmerzen umfasst in der Regel zwei bis drei Sitzungen.

 

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