Komplementärmedizin
Artikel "Mikrovakzination: Mesotherapie im präventiven Bereich"
Aus: natur-heilkunde journal, Ausgabe Dezember 2014
Autorin: Dr. med. Britta Knoll
Bei der Frage nach der vorbeugenden Behandlung winterlicher Infektionserkrankungen und den typischerweise im Frühjahr beginnenden Pollenallergien sind Vertreter der klassischen Medizin und Verfechter naturheilkundlicher Verfahren meist uneins. Dabei gibt es ein Verfahren, das eine Brücke schlägt und die Vorzüge beider Ansätze in sich vereint: die Mesotherapie.
Dieses Verfahren wurde in den 1950er Jahren vom französischen Arzt Michel Pistor (1924-2003) entwickelt. Pistor hatte das Hörvermögen eines bis dahin tauben Patienten durch eine Procain-Injektion am Ohr deutlich bessern können. Aus dieser Beobachtung heraus entwickelte Pistor in den Folgejahren ein Verfahren, welches durch eine lokal gezielte Behandlung passende Wirkstoffe über die Haut in den erkrankten Bereich einschleust. Bei seiner Methode werden Aspekte der Akupunktur, Neuraltherapie, Arzneitherapie und das Prinzip der Reflexzonen miteinander verbunden, um eine optimale Wirkung zu erzielen.
In der Mesotherapie wird eine Wirkstoffmischung aus arzneilichen Wirkstoffen, Vitaminen, homöopathischen und pflanzlichen Mitteln mit sehr feinen Kanülen in die oberen Hautschichten direkt am Ort der Erkrankung injiziert. Die Substanzen sind individuell auf den Patienten abgestimmt, vorwiegend auf natürlicher Basis und daher meist sehr gut verträglich. Das Motto dabei lautet wenig, selten und am richtigen Ort. Gemeint ist damit, dass bereits sehr geringe Mengen an Medikamenten und Wirkstoffen ausreichen, um ihre heilende Wirkung zu entfalten. Es genügen meist wenige Sitzungen für lang anhaltende Effekte und grundsätzlich wird nur der erkrankte Bereich behandelt.
Extrem dünne Meso-Kanülen (0,4 bis 0,26 mm Durchmesser) mit einem besonderen Schliff, die geringe Stichtiefe von wenigen Millimetern, sowie das beigefügte Lokalanästhetikum stellen sicher, dass die Injektionen nahezu schmerzfrei sind.
Mit dem Begriff „Mesotherapie“ wollte ihr Begründer Michel Pistor auf das Mesoderm verweisen, das zwischen Ento- und Ektoderm liegende mittlere Keimblatt, das in der dritten Woche der Embryogenese entsteht, und aus dem sich unter anderen Haut und Bindegewebe bilden, also jene Bereiche, in denen diese Therapieform vorwiegend zum Einsatz kommt.
Bereits die multiplen Mikroinjektionen stimulieren das Gewebe, modulieren die lmmunzellen der Haut und steigern die lokale Durchblutung und Sauerstoffversorgung. Dabei entstehen kleine Wirkstoffdepots, deren Inhalt nach und nach in die Umgebung diffundiert, was den lang anhaltenden Effekt der Mesotherapie erklärt.
Obwohl nur in die Haut gespritzt wird, gelangen die Wirkstoffe auch in tiefer liegende Strukturen wie Muskeln und Gelenke. So können sie dort schnell wirken, wo sie tatsächlich benötigt werden, ohne den restlichen Körper zu belasten. Das macht die Mesotherapie besonders verträglich und nebenwirkungsarm. Mit ihr können deshalb auch Kinder und Schwangere behandelt werden. Als heilkundliches Verfahren ist die Mesotherapie ausschließlich Ärzten und Heilpraktikern vorbehalten.
Anwendung findet die Mesotherapie im präventiven und kurativen Bereich, etwa zur Behandlung von Durchblutungs- und Wundheilungsproblemen, Schmerzerkrankungen, Arthrosen, Sportverletzungen und Überlastungsschäden, bei Abwehrschwäche, wiederholten Infektionen und Heuschnupfen, in der Gynäkologie, bei Stress, Erschöpfungszuständen und Schlafstörungen, gegen Kopfschmerzen und Migräne, bei Alterssichtigkeit und Altersschwerhörigkeit sowie zur Zigarettenentwöhnung.
Ein weiterer großer Anwendungsbereich liegt in der ästhetischen Medizin und dem Anti-Aging. Hier dient die Mesotherapie der Glättung von Fältchen, der Straffung und Regeneration der Haut, dem Abbau lokaler Fettdepots und wird erfolgreich gegen Haarausfall eingesetzt.
Die Mesotherapie lässt sich sehr gut zur Prävention von Atemwegsinfekten, wie auch zur Behandlung chronischer oder rezidivierender Infekte einsetzen. Atemwegsinfekte treten besonders oft in der kalten Jahreszeit auf. Sie zählen zu den häufigsten Infektionen überhaupt, Erwachsene sind durchschnittlich zwei- bis dreim im Jahr hiervon betroffen, Kleinkinder bis zu 13 Mal. Kälte ist kein Auslöser von Atemwegsinfekten, begünstigt diese aber auf vielfältige Weise:
So werden ca. 40 Prozent aller Atemwegsinfekte durch humane Rhinoviren ausgelöst, die vermehrt bei Kälte auftreten. Da kalte Luft weniger Feuchtigkeit aufnehmen kann, sind die Schleimhäute in Nase und Rachen aufgrund der geringeren Feuchtigkeit in der Atemluft trockener und damit anfälliger für Infektionen. Kälte hemmt auch das die Atemwege auskleidende Flimmerepithel und verringert damit dessen Selbstreinigungsmechanismus, der dafür sorgt, dass Mikroorganismen kontinuierlich aus den Atemwegen herausbefördert werden. Kälte erhöht zudem das Ansteckungsrisiko, wenn sich Menschen witterungsbedingt in Gebäuden aufhalten und durch erkrankte Personen leichter angesteckt werden können. Möglicherweise wirkt sich Kälte auch auf das Immunsystem aus und verringert dessen Abwehrkräfte.
Die mesotherapeutische Behandlung als Mikrovakzination bei Atemwegsinfekten dient der allgemeinen wie auch der lokalen Immunstimulation. Die Injektionen erfolgen dabei zweimal in einem Abstand von jeweils einem Monat. Mit nur 0,3 ml einer stark verdünnten unspezifischen Vakzine wird dabei weniger als einen Millimeter tief in die Haut in orthogonaler Projektion der Hals-Lymphorgane, also am rechten und linken Unterkieferwinkel (Mandeln, lymphatischer Rachenring), sowie über den Nasennebenhöhlen gespritzt. Entscheidend ist das Entstehen einer kleinen Quaddel, da nur diese oberflächliche Applikation für den langdauernden Kontakt mit den dermalen Immunzellen (Langerhans´sche Zellen, Makrophagen, Lymphozyten) sorgen kann.
Soll die Mikrovakzination der lokalen Immunstimulation dienen, so erfolgt die Impfung abhängig von den klinischen Symptomen über dem betroffenen Bereich. Bei einer chronischen Bronchitis beispielsweise erfolgen mehrere Injektionen paravertebral und parasternal.
Die Mikrovakzination ist gut verträglich, kann bereits bei Kindern ab zwei Jahren angewandt werden und lässt sich auf Wunsch auch mit der jährlichen Grippeimpfung kombinieren. Die immunologische Schutzbarriere baut sich langsam innerhalb der folgenden Monate auf und fängt die eindringenden Erreger schon an der Eintrittspforte auf. Die Wirksamkeit der Immunstimulation mit der Mikrovakzination bei wiederholten Infektionskrankheiten belegt eine Studie mit verdünntem Ribomunyl® mit 1200 Patienten, durchgeführt von Dr. I. Baba, Algerien. Das kurzgefasste Ergebnis:
Gesamtergebnis: in 93 % der Fälle kam es zu einer deutlichen Besserung der Infektrate, -Schweregrad und -Häufigkeit. Es traten keine Nebenwirkungen auf. Der erhebliche volkswirtschaftliche Nutzen bemisst sich in einer geringeren Inanspruchnahme des Gesundheitssystems (Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Medikamentenverbrauch), sowie in geringeren Krankschreibungen, bzw. Schulversäumnissen.
Auch zur Behandlung von Pollenallergien (allergische Rhinitis, Heuschnupfen) ist die Mikrovakzination angezeigt. In Deutschland leidet etwa jede sechste Person an einer solchen Allergie. Die entsteht – wie bei Allergien allgemein – wenn ein eigentlich unschädlicher Stoff, wie in diesem Fall der Blütenstaub bestimmter Gräser und Bäume, das Immunsystem zu unmittelbaren, überschießenden Reaktionen veranlasst (Typ-I-Allergie). Niesreiz, Augentränen und -jucken, Fließschnupfen oder eine verstopften Nase gehören zu den lästigen Symptomen, jedoch können mit einer Pollenallergie auch schwerere Begleiterkrankungen einhergehen, wie Sinusitis, Konjunktivitis, Paukenerguss und Asthma bronchiale. Über die Hälfte aller Pollen-Allergiker leiden zudem auch an Kreuzallergien auf bestimmte Lebensmittel.
Bevor eine Pollenallergie das erste Mal ausbricht, ist ihr eine meist beschwerdefreie und deshalb unbemerkte Sensibilisierungsphase vorausgegangen: Die Pollen haben als Allergene über die Schleimhäute und Atemwege eine Immunreaktion im Körper ausgelöst. Dabei hat das Immunsystem die eigentlich harmlosen Pollen als Gefahr fehlgedeutet und entsprechende Antikörper gebildet. Entsprechend heftig reagiert der Körper beim nächsten, selbst geringsten Kontakt mit den vermeintlichen Gefahr: Antikörper verbinden sich mit den Allergenen und neutralisieren sie, während Mastzellen übermäßig Botenstoffe, insbesondere Histamin, ausschütten. Dadurch schwillt das Gewebe an und Juckreiz oder auch Schmerzen entstehen.
Die wirksamste Form eine Allergie zu behandeln, besteht darin, den Kontakt zu den Allergenen zu meiden (Allergenkarenz). Bei Pollen, die kilometerweit fliegen können, ist das naturgemäß nur schwer möglich. Auch die Jahreszeiten sind aufgrund des Klimawandels kein Garant mehr für pollenfreie Monate. Denn bei milder Witterung können die letzten Gräser- und Brennnesselpollen noch im November fliegen und die ersten Haselnusspollen bereits im Dezember.
Eine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung) kann helfen, die Ursachen einer Pollenallergie wirksam zu behandeln. Hierbei werden die Patienten durch die langfristig wiederholte Zufuhr der Allergene hyposensibilisiert, was die Pollenallergie lindern oder bestenfalls heilen kann. Durch den häufigen Wechsel der Allergieauslöser sind die Erfolgsquoten jedoch nicht optimal. Zudem besteht das Risiko einer Anaphylaxie.
Schulmedizinisch werden die Symptome meist medikamentös behandelt, etwa mit Antihistaminika, Dinatriumcromoglicinsäure (DNCG), Cortison und ergänzend auch Leukotrienantagonisten, mit denen jeweils bestimmte Nebenwirkungen einhergehen können. Eine wirksame und nebenwirkungsfreie Alternative zur Behandlung von Pollenallergien stellt die Mesotherapie dar. Denn mit ihr lässt sich oft auch Patienten helfen, denen die Hyposensibilisierung zu aufwendig ist oder bei denen andere Therapien nicht gewirkt haben.
Ähnlich der Behandlung von Atemwegsinfekten werden hier stark verdünnte unspezifische Vakzine und/oder spezielle homöopathische Komplexpräparate weniger als einen Millimeter tief in die Haut an bestimmten Akupunktur- und Reaktionspunkten gespritzt. Da Verlauf, Schweregrad und Symptome einer Pollenallergie sehr unterschiedlich sind, muss die Behandlung auf den jeweiligen Patienten individuell abgestimmt werden. Die Wirkung dieser Mikrovakzination tritt meist innerhalb weniger Wochen ein und ist lang anhaltend. Die Behandlung dauert nur wenige Minuten und wird anfangs je nach Schweregrad in bestimmten Abständen wiederholt. Danach genügt eine zweimalige jährliche Auffrischung. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass die Erfolgsquote bei mindestens 70 % liegt.