Therapie gegen Schulterschmerzen

Aus GERO's Internationaler Medizin-Report, April 2009.

L'Aquila/l. Erste winzige Kalkkristalle lagern sich meist in den Sehnen ein, die das Schulterblatt umgeben. Völlig unbemerkt wachsen sie heran und bereiten nur selten Probleme. Doch sie wirken als „Kondensationskeime", an denen sich mit der Zeit immer mehr Kalzium anlagert. Haben sie erst einmal eine kritische Größe erreicht, verursacht jede Armbewegung über Schulter- oder Kopfhöhe schlimme Schmerzen und fatale Reizungen. Selbst starke Schmerzmittel wirken nur noch unzureichend, wenn die Kalkdepots auf Erbsen- oder Mandelgröße herangewachsen sind und schließlich chronische Entzündungen verursachen. In dieser Phase werden die Kalksteine nicht nur bei jeder Bewegung, sondern auch in Ruhe zur fast unerträglichen Plage. Wegen der heftigen Schmerzen schlafen Betroffene schlecht und versuchen jede Armbewegung zu vermeiden, um die schmerzende Schulter zu schonen. Doch ohne Bewegung droht das angeschlagene Gelenk rasch zu versteifen; die Chronifizierung des Leidens ist oft die Folge.

Gelenk droht zu versteifen

Italienische Medizinforscher zeigen jetzt in der aktuellen Ausgabe des international renommierten medizinwissenschaftlichen Fachjournals Arthritis Care Et Research, wie ein innovatives und besonders schonendes Verfahren die quälenden Kalkablagerungen im Bereich des Schultergelenks rasch, sicher und dauerhaft entfernt. Insgesamt 80 Patienten mit radiologisch bestätigter Diagnose „Tendinitis calcarea" nahmen an einer Studie teil, die dieses neue Verfahren untersucht. Die italienischen Spezialisten unter der Leitung von Dr. Angelo Cacchio am San Salvatore-Hospital in L'Aquila teilten ihre Patienten zunächst in zwei Gruppen ein. Vor Behandlungsbeginn, nach einwöchiger Behandlung und nach einemJahr wurden die individuellen Beschwerden, Schmerzen und die funktionelle Beweglichkeit der Arme bei allen Teilnehmern bestimmt. Zusätzlich haben die Ärzte auch die Ausmaße der Kalkdepots in den Schultern ihrer Patienten auf Röntgenbildern festgehalten.
Die 40 Patienten der Behandlungsgruppe erhielten zunächst eine Mesotherapie mit EDTA. Dabei wird der .Kalziumfänger" EDTA (siehe Kasten) in stark verdünnter Lösung mit einer dünnen Injektionsnadel unter die Haut rund um die Kalkherde injiziert. Anschließend behandelten die Ärzte die entsprechende Schulterregion jeweils 15 Minuten lang mit pulsierendem Ultraschall, um das eingeschleuste EDTA besser zu verteilen und die Regenerationsprozesse im Gewebe zu stimulieren. Die restlichen 40 Patienten erhielten als Kontrollgruppe keine derartige Behandlung.

Nachhaltige Besserung

Während in der Kontrollgruppe keine signifikante Besserung auftrat, zeigten sich in der Behandlungsgruppe geradezu dramatisch positive Effekte: Denn bereits nach einer Woche unter Einfluss dieser kurzen, schmerzarmen und wenig aufwändigen Behandlung waren die quälenden Beschwerden deutlich zurückgegangen. Diese ausgeprägten Verbesserungen hielten auch bei der Nachuntersuchung ein Jahr nach der einmaligen Behandlung noch an. Kein Wunder, denn in der Behandlungsgruppe hatten sich die quälenden Kalkdepots bei fast zwei Dritteln der Teilnehmer [62,5 %} vollständig und bei weiteren 22,5 % der Patienten größtenteils aufgelöst. Dabei traten während des gesamten Studienzeitraums keinerlei unerwünschte Nebenwirkungen auf.
„Unsere Resultate legen nahe, dass die Verwendung von Dinatrium-EDTA zur Behandlung der Tendinitis calcarea der Schulter sicher und effektiv ist, dabei zu einer signifikanten Reduktion der Schmerzen, Verbesserungen der Schulterfunktionen und zu einem Verschwinden der Verkalkungen nach vier Wochen führt - ohne unerwünschte Nebenwirkungen", schreiben die italienischen Spezialisten (Cacchio A. et al.) in ihrer Publikation in Arthritis Rheum. 2009 Jan 75,67(7):84-97.

Wirkt sicher und effektiv

Im Vergleich zu den bisher üblichen Therapieformen bei Tendinitis calcarea bietet die vorgestellte Behandlungsmethode bestechende Vorteile. Beispielsweise kann jetzt die medikamentöse Schmerzbehandlung erheblich reduziert werden. Starke Schmerzmittel und entzündungshemmende Kortisonpräparate sind aufgrund ihrer Nebenwirkungen nämlich nur kurzfristig verwendbar, beheben aber nicht die Ursachen des Leidens. Auch werden die physiotherapeutischen Bewegungsübungen, insbesondere in fortgeschrittenen Verkalkungsstadien, oft als sehr schmerzhaft empfunden. Die Abbruchrate ist deshalb relativ hoch, weil diese Therapien über lange Zeiträume hinweg regelmäßig durchgeführt werden müssen. Beim „Needlinq“ dagegen sticht der Arzt unter Röntgenkontrolle mit einer Kanüle in die Kalkdepots, injiziert mit Druck eine Flüssigkeit, spült, damit der Kalk in Bewegung kommt, und saugt ihn ab eine Technik, die aufgrund der belastenden Schmerzen heute sonst nur noch selten durchgeführt wird.

Bei der bei Tendinitis calcarea ebenfalls gern eingesetzten Stoßwellentherapie werden die Kalkdepots [ähnlich wie bei Nierensteinen} mit energiereich en Ultraschallwellen zertrümmert. Allerdings können nur Kalkansammlungen bis zur Größe von einem Zentimeter zertrümmert werden, und manche Patienten sind für diese Behandlung nicht geeignet. Bleibt nur noch der chirurgische Eingriff als Ultima ratio. Dabei wird der Kalk operativ entfernt. Bis anschließend Schulter und Arm ohne Schmerzen funktionsfähig sind, vergehen in der Regel jedoch Wochen, die der Patient mit Krankengymnastik und schmerzhaftem Selbsttraining verbringt.

(Infokasten:) Therapieprinzip mit drei Standbeinen

Ihre spektakulären Behandlungserfolge haben die italienischen Spezialisten mit einer Kombination von drei wenig belastenden Therapieformen erzielt. Das als Kalziumfänger bekannte EDTA ist eine chemische Substanz, die seit Jahrzehnten im Rahmen von Chelat-Therapien eingesetzt wird. Dabei sollen Infusionen mit verdünntem EDTA angelagertes überschüssiges Kalzium von den Wänden der Blutgefäße entfernen, um gefährliche „Gefäßverklakungen“ aufzulösen. Die Italiener haben bei ihren Kalkschulter-Patienten aber keine Infusionen, sondern eine Mesotherapie mit Dinatrium-EDTA durchgeführt. Die Mesotherapie verwendet bestimmte Punkte aus der Akupunktur und Neuraltherapie und verbindet sie mit der Arzneimitteltherapie. lm Falle der Kalkschulter werden Injektionen mit geringen Dosierungen des Kalziumfängers Dinatrium-EDTA an bestimmten Punkten in unmittelbarer Nähe der Kalkdepots unter die Haut injiziert. Anschließend erhält der Patient an der Schulter eine Phonophorese. Das ist eine spezielle Behandlung mit schonendem Ultraschall, der die zielgerichtete Verteilung der EDTA im Gewebe und deren Infiltration in die Kalkdepots fördert. Das ganze Verfahren ist schmerzarm sowie wenig belastend und eine Behandlung reicht offensichtlich völlig aus, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Wichtige Anschriften:

(...) Deutsche Gesellschaft für Mesotherapie, Dr. Britta Knoll, Pariser Platz 4, 81667 München,
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